Schuf Martinus ein kosmologisches System von sehr beschränktem Wert?

Uwe Todt, Donnerstag, 09. Juli 2020, 08:51 (vor 1551 Tagen) @ Uwe Todt

Kosmogonie:

Resümee:

Ich halte Martinus' kosmologisches System insgesamt für eine philosophische Konstruktion von sehr beschränktem Wert. Daß er auch echte Eingebungen hatte, bestreite ich nicht. Die sehe ich aber eher in gewissen Details, nicht in seiner Kosmologie. Diese Details sollten wir bereden.

Uwe Todt
Wie bereits gesagt, sehe ich dagegen in der Lehre von Martinus eine exoterische Darstellung spiritueller Erfahrungen von sehr hohem Wert, denn sie veränderte meine Sicht der von Steiner in der Anthroposophie dargesstellten Weltentwicklung. Dazu möchte ich weitere Punkte anführen:
a)Die sogenannten bösen Wesen
Rudolf Steiner ordnete seine übersinnlichen Wahrnehmungen nach der überlieferten christlichen Hierarchienlehre und den überlieferten jüdisch-christlichen Traditionen. Hätte ihm das Martinus-System damals schon zur Verfügung gestanden, hätte er in den soratischen, ahrimanischen und luziferischen Wesen keine seit der Entwicklung des alten Saturns, der alten Sonne und des alten Mondes stehengebliebenen Wesen gesehen, sondern ein bis drei Entwicklungsstufen über dem Menschen stehende Wesen, die auf ihrem Weg zu einer höheren Stufe erneut die Finsternis durchlaufen, dabei aber durch eine viel finstere Finsternis gehen als der Mensch im Tierreich oder gar die Tiere. Diese viel finstere Finsternis gibt ihnen in der weiteren Entwicklung die Möglichkeit auch in ein viel höheres Licht aufzusteigen, denn ein Wesen kann nach Martinus nur so viel Licht aufnehmen als es Finsternis aufgenommen hat.
b) Die luziferischen und ahrimanischen Wesen
Die Unterscheidung der sogenannten bösen Wesen nach luziferischen und ahrimanischen Wesen fand ich in dem kosmologischen System von Martinus nicht, in Beschreibungen seiner Wahrnehmungen aber schon. Nach Martinus durchläuft der Mensch dieselbe Entwicklung wie die Erde mit allen ihren Wesen, wozu auch die drei Wesensgruppen über dem Menschen gehören. Daraus folgt, dass sich bei der Geschlechtertrennung auch die höheren Wesen in luziferische (der weibliche Pol) und ahrimanische Wesen (der männliche Pol) spalteten und sich auch wieder vereinigen werden, wenn der Mensch die Doppelpoligkeit wiedergewonnen hat.
c) Absteigende Entwicklungen
Rudolf Steiner schaute für die Zukunft absteigende Entwicklungen. So z.B. eine sich im Westen ausbreitende stehengebliebene ahrimanische Menschheit und eine sich im Osten ausbreitende luziferische Menschheit. Martinus sprach nicht von diesen Entwicklungen, aber er unterschied zwischen den Gestaltungen und der Beseelung der Gestaltungen und erklärte, dass es nur kurzfristig absteigende Entwicklungen geben kann, denn es gibt Entwicklungswendepunkte. Wenn ein Wesen im Kreislauf diesen Wendepunkt erreicht hat, dann wendet es sich entweder von der Finsternis zum Licht oder später vom Licht wieder zur Finsternis. Anders wäre ein geordneter Kosmos wie ihn Martinus beschreibt, in dem Wesen in Wesen leben, auch gar nicht möglich. Daraus folgt, dass die Entwicklung einer ahrimanischen und einer luziferischen Menschenrasse dazu dient, Tiere zu einer Vorform des wahren Menschen aufsteigen zu lassen und nicht dazu, wie von Steiner erwartet, dass Menschen, die das Entwicklungsziel nicht erreichten in diesen Formen so lange erstarren, bis sich neue Entwicklungsmöglichkeiten für sie ergeben.
c) Erklärung der Naturgesetze
Für die Naturgesetze gibt es meines Wissens gegenwärtig gar keine Erklärung außer der, dass sie immer schon da waren oder der, dass Gott sie erschaffen hat. Martinus fand eine - wie ich finde - sehr einfache und schlüssig Erklärung, die ich am menschlichen Organismus erläutern möchte. Dieser wird durch "Automatfunktionen" gesteuert, wie den Herzschlag, die Atmung, den Blutkreislauf usw. Diese "Automatfunktionen" sind für die Organwesen unseres Körpers Naturgesetze. Als "Automatfunktionen" bezeichnet Martinus Abäufe, die so lange bewusst ausgeführt werden mussten, bis sie durch die Erinnerungen von der Instinktenergie übernommen werden konnten und seitdem automatisch ausgeführt werden, ohne dass man einen Gedanken darauf verschwenden muss. Was wir als Naturgesetze kennen, sind Automatfunktionen unserer Makrowesen, also der Erde, des Sonnenswystems oder der Milchstraße.
d) Wie leben Wesen in Wesen ?
Auch vor Martinus gab es Menschen, welche die Organe, Zellen und Stoffe sowie die Himmelskörper, Sonnensysteme und Galaxien, ja den gesamten Kosmos als Wesen sahen. Aber wer hat vor ihm das Leben von Wesen in Wesen so konkret beschreiben können wie es Martinus konnte? Wie wir aus der entsprechenden Entfernung von den Pflanzen und Tieren eines Waldes nichts mehr wahrnehmen, sondern nur einen Wald sehen, so haben wir von dem Leben unserer Organe nur eine Waldwahrnehmung (Martinus nennt sie "Stoffwahrnehmung"). Auch die Organe haben von dem Leben ihrer Zellen nur eine Stoffwahrnehmung und so auch jede andere Ebene von der darunter liegenden Ebene. Die darunter liegende Ebene liefert die Wahrnehmung, die umso allgemeiner wird, je weiter sie nach oben wandert und die obere Ebene liefert den darunterliegenden Ebenen den Raum und den Zusammenhang ihres Wirkens.
e) Zur Wahrnehmung

Martinus vertrat die Auffassung, dass es keine objektive Wahrnehmung geben kann, weil jede Wahrnehmung auf dem Perspektivprinzip beruht. Um überhaupt wahrnehmen zu können, müssen wir eine bestimmte Perspektive einnehmen und damit alles ausschließen, was aus unserer Perspektive nicht sichtbar ist. Von der Wirklichkeit lassen sich nur Ausschnitte wahrnehmen. Die sinnliche Wahrnehmung ist genauso wunderbar und rätselhaft wie die übersinnliche Wahrnehmung. Martinus war ein sehr bescheidener Mensch und liebte es gar nicht, durch Mitteilung übersinnlicher Wahrnehmungen bestaunt zu werden. Er bevorzugte Alltagsgespräche, bei denen die anderen Beteiligten mit ihm auf Augenhöhe waren. Nur auf direktes Befragen ging er im Gespräch auf übersinnliche Dinge ein. Diese behandelte er dann so, dass er sich den Verständnismöglichkeiten seiner Gesprächspartners anpasste. Daher seine robuste, oft banal wirkende Ausdrucksweise. Was er aber mitzuteilen hatte, war weiß Gott nicht banal.

Resümee
Ich halte Martius für einen Menschen, wie sie nur höchst selten geboren werden. Ob meine Einschätzung richtig ist, wird sich erst in der Zukunft erweisen, die zeigen wird, ob die von ihm erwarteten Entwicklungen tatsächlich eingetreten sind.


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