Zur Charakteristik der Bäume. Die Autoren Julius und Kranich im Vergleich.

Bernhard, Dienstag, 05. Juli 2016, 21:10 (vor 3091 Tagen) @ Kosmogonie
bearbeitet von Bernhard, Dienstag, 05. Juli 2016, 21:21

Hallo, Thomas!

Es dürfte klar sein, das die Autoren das Baum-Wesen aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachten: Julius aus der anschaulich-phänomenologischen, Kranich zusätzlich aus der kosmologischen Sichtweise. Beide Anschauungsarten stehen nicht konträr oder parallel zueinander - sie ergänzen sich.

Die kosmologische Betrachtungsweise Kranichs nimmt sich - logischerweise - als mathematistisch aus, da er den faktisch-objektiven Maßstab der realen berechenbaren Planeten-Rhythmen anwendet. (In "Pflanze und Kosmos" und "Die Formensprache der Pflanze" beweist er sogar die Reflexion der Planeten-Rhythmen in den unterschiedlichen Wachstumsstadien und Organsystemen der Einzelpflanze.) Julius untersucht im Gemeinschaftswerk die Phänomene ausschließlich auf der goetheanistischen "sinnlich-sittlichen" Anschauungsebene - was auch seiner spezifischen Aufgabenstellung hierin entspricht. In seinen "Grundlagen einer phänomenologischen Chemie" (Bd. I u. II) stützt er sich auch auf naturgesetzmäßige Fakten und Prinzipien. - Aber auch Kranich ist reiner Phänomenologe in seinen Büchern "Pflanzen als Bilder der Seelenwelt" und "Wesensbilder der Tiere", und in "Von der Gewissheit zur Wissenschaft der Evolution" hebt er die fundamentale Bedeutung der goetheanistischen Methode für die Evolutionsforschung hervor.

Goetheanistischer Phänomenalismus und klassischer Mathematismus sind als wissenschaftliche Methoden selbstverständlich vereinbar. Dies bestätigt namentlich Kranich in seinen Pflanzen-Betrachtungen allemal. Der Unterschied zwischen Kranich und Julius in "Bäume und Planeten" besteht im Wesentlichen darin, dass letzterer ausschließlich bzw. primär die reine Anschauung anstellt - ohne scharfen Hinblick auf die konkrete Natur-Gesetzlichkeit. ("Metamorphose", "Das Tier zwischen Mensch und Kosmos", "Die zwölf Triebe in Tier und Mensch", "Die Bildersprache des Tierkreises".) Hiermit allerdings fordert er insbesondere den kritischeren Leser zu dem für ihn enormen Wagnis heraus, sich intellektuell sozusagen völlig "haltlos" vor das Phänomen zu stellen und dieses ganz auf sein Wesen wirken zu lassen. Er stellt vorab die entscheidende Bedingung, anzuerkennen, dass dasjenige, was der Betrachter sinnend, meditativ und synthetisierend am Phänomen er-lebt und konstatiert, wirk-lich und wahr-haftig ist.

Allerdings: Man wird die geniale Logik und Weisheit des Beobachteten und Konstatierten nur und erst dann gewahr, wenn man sich hierfür freimütig seelisch wach und offen hält. Sofern man sich die goetheanistische Methode aneignet und sich darin kontinuierlich schult, und je weiter man in dieser Schulung übend fortschreitet, desto empfänglicher und "hell-sichtiger" bzw. "-höriger" wird man für die Bilder-Sprache der Natur.

Du hast ja am Beispiel der Kirsche den Unterschied zwischen der kranichschen und der juliusschen Betrachtungsweise klar verständlich gemacht: Kranich zieht akribisch und einleuchtend das allgemeine Mond-Prinzip zum Verständnis des Baum-Typus heran und zeigt etwa an der Knospen- und Fruchtknotenbildung, wie diese in allen Einzelheiten das Mond-Prinzip augenscheinlich darlebt. Bei Julius wiederum erfahren wir, inwiefern die Signatur des Kirschbaums (richtig erfasst!) das Seelenwesenhafte des Mond-Prinzips ausdrückt. Beide Arten des synthetisierenden Anschauens vervollkommnen sich zur wahren Phänomenologie, zum wissenschaftlichen goetheanistischen Phänomenalismus.

Darin liegt der Reiz des goetheanistischen Phänomenalismus: Bei der Erkenntnissuche und Wahrheitsfindung nicht nur auf konkrete Fakten angewiesen zu sein und vor dem objektiven Natur-Gesetzlichen, welches letztendlich tot ist, halt machen zu müssen, sondern durch die reine geist- und seelenoffene Anschauung über das Gesetzmäßige hinaus das lebendige Wesen der Erscheinungen unmittelbar in sich selbst erfahren zu können. Hierdurch erweist sich der goetheanistische Phänomenalismus als ein echter esoterischer Erkenntnisweg.

Schönen Gruß!

Bernhard


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