Dreigliederung und Dreigetier.
Guten Abend, Bernhard!
Du trägst wiederum interessante Beobachtungen bzw. Folgerungen vor, auf die ich bisher nicht selbst gekommen bin, etwa:
Am Ende wird es wohl so sein, dass Stier und Löwe das Paar der Prototypen der möglichen Gliedmaßen-Charaktere darstellen - wovon es dann in der Tat nur zwei Ausprägungen gäbe: Die Gliedmaßen-Vierheit als Greif-Organ, am Löwen veranschaulicht, und die Gliedmaßen-Vierheit als Lauf-Organ, beim Stier veranschaulicht.
und:
Der Adler besitzt weder Hände noch Füße, demgemäß, dass deren typische Ausprägung gänzlich fehlt; sie sind sozusagen "entstellt". Und überhaupt sind bei ihm die Gliedmaßen-Funktionen ohnehin gegeneinander vertauscht, denn mit den eigentlichen Lauf-Organen greift er und mit den eigentlichen Greif-Organen bewegt er sich fort. -
Damit beantwortest du aber nicht die grundsätzliche Frage, die ich in meinem vorherigen Eintrag gestellt habe, nämlich:
warum in der anthroposophischen Literatur ständig vom "Stoffwechsel-Gliedmaßen-System" die Rede ist und niemals vom Rhythmus-Gliedmaßen- oder vom Nerven-Gliedmaßen-System.
Ich habe die Frage kürzlich auch an einen anthroposophisch gebildeten Arzt gestellt sowie an eine anthroposophisch interessierte Tierärztin, aber ich habe keine befriedigende Antwort erhalten.
Zwar wurde mir seitens des Ersteren gesagt: "So wie die Gliedmaßen die Kraftorgane nach außen sind, so sind die Stoffwechselorgane die Kraftorgane nach innen."
Ja, aber Herz und Lunge sind auch Kraftorgane, und gerade sie sind es, die den Gliedmaßen die Kraft geben!
Die Innen-außen-Polarität als solche ist ja ganz interessant. Sie gilt auch für das Nerven-Sinnes-System: Sinne nach außen, Nerven nach innen. Und bedingt gilt sie auch für das Herz-Lungen-System, obwohl hier mindestens genauso die Oben-unten-Polarität auffällt.
Also halten wir fest: Das Problem der Wortverbindung "Stoffwechsel-Gliedmaßen-System" ist, aus meiner Sicht, bis jetzt ungelöst. Denn es ist nicht einzusehen, daß die Gliedmaßen dem (Nahrungs-)Stoffwechsel funktionell näherstünden als dem Sauerstoff-Kohlendioxyd-Wechsel. Das Gegenteil ist der Fall. Darum haben gliedmaßenstarke Menschen und Tiere immer auch eine starke Brust, aber keinesfalls immer große Bauchorgane.
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Zur Anschauung des Dreigetiers gibt es von Steiner übrigens eine zwar späte, gleichwohl sehr konzentrierte und schöne Vortragsreihe, veröffentlicht unter dem Titel "Der Mensch als Zusammenklang des schaffenden, bildenden und gestaltenden Weltenwortes" (GA 230). Ich hatte vor einiger Zeit den sechsten Vortrag veröffentlicht, weil er für die Kosmologie bedeutend (und zugleich problematisch) ist.
Gestern habe ich den ersten Vortrag hinzugefügt, weil er unser jetziges Thema beleuchtet, und demnächst, vielleicht heute schon, will ich weitere hinzufügen, zunächst den zweiten, wo ausdrücklich vom "Dreigetier" und - als menschliche Antwort - vom menschlichen "Dreispruch" die Rede ist.
Ich hoffe weiterhin von dir zu hören!
Thomas
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