Zu Kapitel 1: Persönliche Aufzeichnungen, Erlebnisse und Rückblicke (1)
Das Erwachen des Ich-Bin-Ich
Da das für Sie ein beglückendes Erlebnis war bzw. ist, kann ich Sie dazu nur beglückwünschen. Kennen Sie Menschen, für die das eine eher unangenehme Erfahrung war? Vielleicht läßt sich entfernt das Erlebnis dazu rechnen, das Tennessee Williams in seinen Memoiren beschreibt, obwohl es da nicht unmittelbar um das Ich-Erleben ging:
Tiefgrün bewaldete Hügel und Berge begleiteten den Fluß zu beiden Seiten, und viele von ihnen waren von mittelalterlichen, turmbewehrten Burgen gekrönt.
Obwohl ich auf dem besten Wege war, verrückt zu werden, nahm ich doch alles um mich herum wahr.
Die größte Touristenattraktion von Köln war der alte Dom, die schönste Kirche, die ich in meinem Leben gesehen habe, im gotischen Stil errichtet und dafür, daß der Bau unter preußischer Herrschaft vollendet wurde, bemerkenswert grazil und luftig konstruiert.
Wir betraten den Dom, dessen Inneres von wundersam farbigem Licht durchflutet war, das durch die großen Buntglasfenster einfiel.
Atemlos vor Panik kniete ich nieder, um zu beten.
Ich lag noch auf den Knien und betete, als unsere Gesellschaft bereits fortgegangen war.
Lassen Sie mich vorausschicken, daß ich weder zu Wunder- noch zu Aberglaube neige. Doch das, was geschah, war ein Wunder, und zwar ein Wunder religiöser Natur - ich versichere Sie, daß ich mich hier nicht als Heiliger aufspielen will, wenn ich Ihnen davon erzähle. Mir war, als lege sich, leicht wie ein Hauch, eine Hand auf meinen Scheitel, und im Augenblick dieser Berührung schwand meine Phobie - als schmelze eine Schneeflocke -, obwohl sie doch wie ein zentnerschwerer Eisenblock auf mir gelastet hatte.
Mit siebzehn Jahren zweifelte ich keinen Augenblick daran, daß die Hand des Herrn Jesus mich voll Erbarmen berührt und die Phobie von mir genommen habe, die mich in den Irrsinn zu treiben drohte.
Damit aber noch nicht genug:
An diesem Abend ging ich allein durch die Straßen von Amsterdam, und ein zweites ›Wunder‹ geschah und befreite mich von meiner Qual, und zwar durch ein kleines Gedicht, das in mir entstand. Es war kein gutes Gedicht, abgesehen vielleicht von den beiden letzten Zeilen, doch erlauben Sie mir, es hinzuschreiben, da ich es mühelos rekonstruieren kann:
Ströme, die kein Ende nehmen.
Ihrer Schritte Einerlei
nimmt die Furcht mir, stillt mein Sehnen.
Seh in abertausend Augen,
die der Fremden, die da strömen,
ihre Seufzer, ihr Gelächter
kühlt mein tiefes, heißes Weh
wie den Funken löscht der Schnee.
Was Sie als ihr Ich-Erwachen beschrieben haben, Herr Todt, scheint mir in gewisser Weise das Gegenteil eines Gemeinschaftserlebnisses zu sein. Was Tennessee Williams erlebte, war ein Christus-, also ein Gemeinschaftserlebnis. Kann ich daraus folgern, daß das, was Sie erlebt haben, ein luziferisches Erlebnis war? Luziferisches Erleben ist begleitet von Hochgefühl, christliches Erleben führt von Leiden zur Erlösung.
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Können sich die Erscheinungen aussprechen?
Seit einigen Tagen habe ich die Fähigkeit, eine innere Stille wahrzunehmen - ganz unabhängig vom äußeren Geräuschpegel. Es kann also z.B. laut sein, und ich kann trotzdem die innere Stille wahrnehmen. [...]
Ich entsinne mich schwach der weit zurückliegenden Lektüre eines Buches von Paul Brunton, in dem er immer wieder auf die innere Stille zu sprechen kommt, deren dauerhafte Erfahrung er wohl als höchstes Ziel angesehen hat. Er beschreibt in diesem Buch (oder in einem seiner anderen?) die Begegnung mit indischen Meistern. - Nach Steiner ist die innere Stille Voraussetzung der Inspirations-Erkenntnis, also des Dialogs mit astralen/geistigen Wesenheiten, und zu diesem Zweck wird sie auch herbeigeführt. Eine Stille um ihrer selbst willen scheint eine Besonderheit orientalischer Kulturen zu sein. - In Ihrem Falle: Folgen aus der von Ihnen erlebten Stille neuartige Erkenntnisse?
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Wenn man sich des eigenen geistigen Feldes bewusst ist, kann man geistig wahrnehmen.
Ich denke, dass in den westlichen Ländern etwa 15 % der Bevölkerung inzwischen geistig wahrnimmt. [...] Sie wissen aber nicht, dass sie geistig wahrnehmen [...]
Was nehmen sie denn konkret wahr? Kann man überhaupt wahrnehmen, ohne davon zu wissen? Oder handelt es sich gar nicht um Wahrnehmung, sondern um eine Verschiebung des Wertfühlens?
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Übersinnliche Wahrnehmungen entstehen aus den Erinnerungen
Es gibt Menschen, die können einen Gegenstand betrachten und dann Aussagen zu dem Gegenstand machen, zum Beispiel: Dieser Gegenstand hat vorher dem und dem gehört. Oder: In diesem Raum hat sich das und das abgespielt.
Wahrnehmungen werden vor dem Hintergrund von Erinnerungen gesehen. [...] Wir bilden unsere Wahrnehmungen aus einem kosmischen Feld, in dem alles mit allem verknüpft ist. Wahrnehmungen können uns darum auch zu Erinnerungen führen, die garnicht zu uns gehören, denn alles, was einmal mit dem Wahrgenommenen verbunden war, bleibt geistig mit ihm verbunden. [...]
Ich glaube nicht, daß es einen objektiven Äther (als Grundlage des Ätherleibes) gibt oder eine objektive Astralwelt, so wie Steiner sie beschreibt. Es sind m.E. persönliche Schöpfungen [...]
Die Ableitung von Wahrnehmungen aus Erinnerungen ist mir als Gedanke neu, und sie leuchtet mir auch nicht ein, bis jetzt jedenfalls. - Mit Ihrer Leugnung der Lebens- und der Astralwelt, "so wie Steiner sie beschreibt", leugnen Sie einen fundamentalen Bestandteil seines Weltbildes. Vielleicht haben Sie ja recht. Aber ich habe keine Erfahrungen, die mir das nahebringen könnten.
Hiermit will ich vorerst schließen. Weitere Fragen später.
Gruß, Thomas Lentze
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Nachtrag 13-7-2020:
Zur Frage der Eigenexistenz einer ätherischen und astralischen Welt muß ich meinen Standpunkt revidieren. Und zwar erstens wegen einer Äußerung von V.Tomberg zum "Kollektiven Unbewußten" im Sinne von C.G.Jung. Tomberg meint, dieses sogenannte Kollektive Unbewußte existiere ingestalt von Inkarnations-Erinnerungen; daher sei die Annahme dieses Unbewußten als ein selbständig Seiendes unnötig. - Zweitens, indiekt, wegen der durch Leibniz erneuerten Raum-Auffassung. Leibniz behauptete entgegen Newton - der den Raum als einen Behälter sah, welche auch ohne Inhalt existieren könne -, daß Raum nur im Nebeneinander von Dingen existieren würde und es ohne sie auch keinen Raum geben würde. Dies ist zur heute herrschenden Anschauung geworden.
Insofern kann man natürlich sagen, daß es keine Äther- und keine Astralwelt geben würde, wenn es keine Wesen gäbe, welche sie im Bewußtsein hätten. Ebenso, daß es keine Akasha-Chronik geben würde, wenn es keine Wesen mit Erinnerung gäbe. - So ganz sicher bin ich mir aber trotzdem nicht. Es werden doch zuweilen Dinge entdeckt, von denen kein Mensch bis dahin etwas gewußt hatte. Sind die im Moment ihrer Wahrnehmung durch Menschen (oder andere angenommene Wesen) erst geschaffen worden, samt aller Merkmale, die von ihrer Gewordenheit Zeugnis ablegen?
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