Kritikpunkt: Wie durch bewußt falsche Wortwahl das Lügnerische befördert wird

Kosmogonie @, Mittwoch, 18. Oktober 2017, 12:12 (vor 2517 Tagen) @ Kosmogonie
bearbeitet von Kosmogonie, Freitag, 24. November 2017, 17:28

Ich bitte vorweg zu bedenken, daß ein Forum nicht auschließlich den Zweck einer Buch(reihen)vorstellung erfüllen kann, sondern in der Hauptsache der Auseinandersetzung zu dienen hat. Daher die nachfolgende Kritik, mit der Hoffnung auf einen Dialog.

Bei der Lektüre des für mich hoch interessanten Bandes "Der Kultus der Christengemeinschaft - Gespräche mit einem Geistwesen" stieß ich immer wieder auf die Wendung die Priesterin oder der Priester (Benutzer des Firefoxbrowser hier bitte den Binnen-I-Filter ausschalten!), und dies sowohl aus dem Munde von Wolfgang Weirauch (dem Fragesteller) als auch dem des "Großen", also des befragten höheren Geistwesens.

Warum ich mich daran stoße? Weil, wer so spricht, lügt. "Der Große" lügt sicher nicht, aber er kommt offenbar nicht unverfälscht herüber. Wir alle kennen den Unterschied zwischen grammatischem und biologischem Geschlecht und wissen daher, daß der Priester sowohl männlichen als auch weiblichen Geschlechts sein kann, sowie alles dessen, was es sonst noch an Geschlechtern gibt. Für die Priesterin gilt das nicht: die ist unbedingt nur weiblich. Wer also beide Formen verbindet - vermeintlich in der guten Absicht, "Geschlechter-Gerechtigkeit" herzustellen -, der lügt sich selbst darüber hinweg, daß "der Priester" eigentlich keiner weiblichen Ergänzung bedarf.

Was er damit herbeiführt, ist die Sexualisierung des Priesters, sei es des männlichen, sei es des weiblichen. Der ist jetzt sexuell definiert. Ja, schlimmer noch: Wer so redet, schafft Geschlechter-Ungerechtigkeit, also genau das, was er glaubt, vermeiden zu müssen. Denn es könnte ja auch Priester geben, die sich weder als männlich noch als weiblich verstehen, sondern als intersexuell. Die werden dann ausgeschlossen.

Nun gut, vielleicht darf es die in der Christengemeinschaft gar nicht geben. Aber Wolfgang Weirauch erwähnt auch die Leserinnen und Leser (des Credos). Will er, so frage ich mich, die intersexuellen Leser (also die, für welche manche Stadträte Extratoiletten eingerichtet haben) ausschließen? Wahrscheinlich will er das nicht. Wahrscheinlich will er den Leser im Grunde überhaupt nicht sexuell festlegen, wissend, daß der Geist keinen sexuellen Dimorphismus kennt. Aber er tut es dennoch, wider besseren Wissens.

Nun könnte er sich - nur als Möglichkeit - auf die Äußerung des Großen (S. 78 f.) berufen (Hervorhebungen durch mich):

[...]Aber wenn man, wissend um diesen Bedeutungswandel, weiterhin diesen Wandel inbezug auf manchen Begriff negiert, wenn man um den Bedeutungswandel weiß und die Worte trotzdem weiter im alten Sinne benutzt, dann beginnt das Lügnerische. Die Haltung derjenigen, die den Bedeutungswandel negieren, wird zunehmend lügnerisch. Denn sie wissen, daß der Zuhörer etwas anderes verstehen muß.

In Berufung darauf ließe sich argumentieren, daß die Form "der Priester" einen Bedeutungswandel erfahren habe. Sie werde heute nicht mehr grammatisch korrekt als geschlechtsneutral aufgefaßt, sondern als sexuell definiert. Und wer das leugne und die Priesterin bzw. die Leserin weglasse, der verhelfe dem Lügnerischen zum Durchbruch.

Diesem Argument müßte ich entschieden widersprechen. Ich behaupte, daß nicht nur, wer Worte in einem alten Sinne, sondern auch, wer sie in einem neuen Sinne benutzt, sich zum Lügner machen kann - und dies in einem noch viel höherem Maße.

Bedenken wir einmal den Unterschied.

Wer ein veraltetes, heute mißverständliches Wort benutzt, der rührt etwas auf, an dessen Entstehung er nicht beteiligt war. Er hat den Bedeutungswandel nicht herbeigeführt. Er wird auch nicht viel bewirken können. Wer aber einen "Neusprech" aufgreift, der wirkt insoweit mit voller Absicht in die Zukunft hinein. Er beteiligt sich bewußt an der Gestaltung einer Zukunft, die von einer bestimmten Macht gewollt ist.

Nun frage ich: Welche Macht will die Sexualisierung des Menschen? Christus kann es nicht sein. Seine Erlösungstat bestand und besteht ja gerade in der Wiederherstellung des Leibes, der dem Tod nicht unterworfen war und folglich auch keiner Sexualität bedurfte. - Vielleicht Luzifer?

Ich kann mir vorstellen, daß Luzifer wie folgt argumentiert: Bisher war die weibliche Hälfte der Menschheit unterdrückt. Das verlangt nach einem Ausgleich, nach kompensierender Gerechtigkeit. Die kann man aber nur herstellen, wenn man die Frauen sichtbar macht, das heißt, daß man sie als solche benennt, und zwar möglichst gleich an erster Stelle ("Leserinnen und Leser" statt umgekehrt). Zwar kann damit auch der Eindruck einer gewollten Sexualisierung des Menschen aufkommen, aber das ist in Kauf zu nehmen, denn die eigentliche Absicht des Unternehmens ist doch klar. Und es ist Ehrensache jeden anständigen Mannes, seine Nachrangigkeit zu akzeptieren. Christus hat sich doch auch kleingemacht.

Wie würde Christus darauf antworten, wenn er sich auf ein Streitgespräch einließe wie damals mit den jüdischen Theokraten? Das weiß ich natürlich nicht, aber vielleicht so: Zwar läuft der Mensch auf eine Zukunft hin, in welcher der geschlechtliche Dimorphismus zuletzt verschwindet. Aber es ist ihm nicht erlaubt, dies eigenmächtig herbeizuführen oder zu beschleunigen. Auch auf den Tod läuft der Mensch zu, aber es ist ihm nicht erlaubt, diesen politisch zu verordnen. Gebt dem Manne, was dem Manne zusteht, und dem Weibe, was diesem zusteht. Das sind zwei verschiedene Größen, die ihr nicht verursacht und nicht verschuldet habt, und für die eine ausgleichende Gerechtigkeit einzufordern euch nicht zu Gerechten macht. -

Überhaupt ist der Gerechtigkeits-Impetus des Luzifer trügerisch. Ursprünglich dem Christus gleichgestellt, bereitete er sich selbst den Sturz. Wird er nun politisch, dann erscheint er als Befreier der vermeintlich Unterdrückten, das heißt, er sieht in den Arbeitern, Bauern und Frauen zu Unrecht Gestürzte und wiegelt sie auf zum Klassenkampf - gegen die Adligen, die Unternehmer und jetzt gegen "das Patriarchat". Das Schwert, das ihn einst niederschlug, um die hierarchische Ordnung zu wahren, wird nun zum Bösen erklärt. Angebliches Ziel ist die klassenlose, eigentlich: die ent-hierarchisierte - oder chaotisierte - Gesellschaft, aus deren Trümmern sich Luzifer aber ein neues Reich zu erbauen hofft, mit sich selbst als Herrscher, in Auferstehung seiner ursprünglichen Pracht. Das Mitleid mit den Leidenden, der Appell an die Gerechtigkeit etc., das wird dann wieder abgestreift.

Es ist wohl nicht immer leicht, zwischen Christus und Luzifer zu unterscheiden; so ist es allerdings auch in den Bänden der Buchreihe, um die es hier geht, verschiedentlich zu lesen.

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Hier sollte sich meine Kritik nur auf die (aus meiner Sicht lügnerische) Anredeform beziehen. Oberflächlich besehen, ist das eine Äußerlichkeit. Genauer besehen, scheint sie mir jedoch einbezogen zu sein in einen nicht expliziten, eher vulgär-unreflektierten Feminismus. Dazu gehört auch eine Fülle misandrischer Aussagen, die, jeweils für sich besehen, wiederum nicht skandalös erscheinen, aber durch ihre begründungslose Unlogik bestechen. Gleichzeitig vermisse ich das Fehlen von Fragen und Antworten, die den Feminismus ins Visier nehmen; Themen, die nicht nur von größter gesellschaftlicher Relevanz sind, sondern im Besonderen den Christen herausfordern. Ich meine etwa das "Frauenrecht" des Pränatalmordes, zynischerweise "Abtreibung" genannt (das Wort kommt aus der Parasitologie). Ihn sehe ich im Vergleich zum Holocaust als eine Steigerung zum Bösen in verschiedener Hinsicht, und ich würde es sehr begrüßen, wenn dies hier einmal diskutiert werden könnte.


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