Eine vorläufige Beurteilung der Mitteilungen der "Quelle"

Kosmogonie @, Sonntag, 18. Oktober 2020, 15:23 (vor 1450 Tagen) @ Kosmogonie

Nach Lektüre aller von der "Quelle" durchgegebenen Bücher sowie der Veröffentlichung über "Medialität und Trance" möchte ich eine vorläufige Beurteilung abgeben. Dies allerdings aus anthroposphischer Perspektive; insofern bin ich "vorbelastet".

Während bei Steiner die (ewige) Individualität und ihre Evolution im Mittelpunkt steht, ist es hier die "Seelenfamilie", ja die "Seelensippe" und der "Seelenstamm", zuletzt das "Seelenvolk". Das einzelne Individuum - der einzelne Mensch - ist nur ein "Fragment", das sich den Interessen seiner seelischen Verwandtschaft unterzuordnen hat, anscheinend auch unterordnen will und auch gar nicht anders kann. So wird die Seelenfamilie z.B. anordnen, daß der einzelne Mensch, da nichts als familiäres "Fragment", eine schwere Krankheit oder Folter auf sich nehmen muß, weil die Seelenfamilie diese Erfahrung angeblich braucht. Mich erinnert das an die Clan-Strukturen archaischer Gesellschaften, wo die Clanchefin oder der Familienrat eine Aufgabenverteilung vornimmt, wonach z.B. junge Männer die riskanten Arbeiten übernehmen und dafür langjährige Gefängnisstrafen riskieren, während die älteren den Reichtum genießen dürfen (nur als Beispiel).

Irritiert hat mich ferner, daß von einem Kamaloka im nachtodlichen Dasein keine Rede ist, ebensowenig von einem Durchgang durch die Planetensphären, wo bereits mit der Sonnensphäre die Astralwelt überschritten wird. Stattdessen wird das nachtodliche Dasein als eine Art Sanatorium beschrieben. Auch ist die Zeit bis zur nächsten Inkarnation durchgehend merkwürdig kurz bemessen. Für Menschen, die als Kinder versterben, verhält sich dies auch im anthroposophischen Verständnis so, und ebenso für die Angehörigen wenig entwickelter Völker (vermutlich also "Säuglings"- und "Kinder"seelen), nicht aber für reife und alte Seelen. Hier tut sich also ein Verständnisproblem auf, das diskutiert werden sollte.

Völlig inakzeptabel erscheint mir die Kennzeichnung der Elementarwesen als "energetische Witzbolde" oder - in meinen Worten - als Inkarnations-Feiglinge. Anthroposophische, aber auch anders orientierte Forscher erkennen in den Elementarwesen (worunter nicht nur die Wesen der klassischen vier Elemente, sondern z.T. riesengroße Gebietswesen, Körperelementarwesen, Maschinenwesen usw. zu verstehen sind) die unabdingbaren Garanten unserer irdischen Verhältnisse, ohne die alles zusammenbrechen würde. Folglich sind sie Gegenstand nicht nur eines sehr großen Gebietes höhersinnlicher Forschung; sondern es haben sich auch Menschen zur Aufgabe gesetzt, diese Wesen zu heilen und die Kommunikation mit ihnen zu lehren.

Ebensowenig hält die "Quelle" von den höheren hierarchischen Wesen, die sich nie als Menschen verkörpert haben, aber mit uns in Beziehungen stehen, die maßgeblich unsere menschheitliche Evolution mitgeprägt haben und auch weiterhin beeinflussen. - Christus wird zwar als eine "transliminale Seele" gewürdigt, aber nicht in seiner Rolle erkannt, die er für Mensch und Kosmos tatsächlich übernommen hat.

Weiterhin vermisse ich im Weltbild der "Quelle" eine Kosmologie, wie die Theosophen Sinnett und Blavatsky sie vorbereitet haben und Steiner sie detailliert ausgeführt hat. Bedauerlicherweise hat auch Frau Hasselmann von Steiners Lebenswerk nur ein ganz oberflächliches Wissen, das durch eine Lektüre des einschlägigen Wikipedia-Artikels ganz leicht hätte erweitert werden können. Natürlich wäre auch die Lektüre eines der anthroposophischen Hauptwerke (wie die "Geheimwissenschaft") oder eines der leichter lesbaren frühen Vortragszyklen (wie etwa "Die Theosophie des Rosenkreuzers" oder "Geisteswissenschaftliche Menschenkunde") hilfreich gewesen, um einen Dialog mit Esoterikern anderer Provenienz zu ermöglichen. Aufgrund der anthroposophischen Kosmologie erscheint es nämlich gar nicht so selbstverständlich, daß die Inkarnationszyklen, wie sie die "Quelle" beschreibt, in absehbarer Zeit noch möglich sein werden, noch daß sie überhaupt jemals so automatisch abgelaufen sind, wie es dort behauptet wird.

Zuletzt erscheint mir die Erkenntnis-Methode - die Trance - als suspekt. Für Anthroposophen kommt diese Methode grundsätzlich nicht infrage, aber auch die meisten anderen Menschen, die heute höhersinnlich wahrnehmen, lehnen sie ab bzw. benötigen sie nicht. Der schwerwiegende Nachteil der Trance ist nämlich, wie Frau Hasselmann selber zugibt, daß man sich den Forschungsgegenstand nicht aussuchen kann, sondern, wie sie direkt sagt, von einem mitteilungswilligen Wesen oder Kollektiv ausgesucht, ja "genutzt" wird. Man ist also etwa in der Rolle eines Kindes, das für ihm fremde Zwecke gebraucht, vielleicht aber auch mißbraucht wird.

Trotz aller dieser Vorbehalte bin ich weit entfernt, die Mitteilungen der "Quelle" als wertlos einzuschätzen. Im Gegenteil, sie haben auch mich um sehr wertvolle Erkenntnisse bereichert, und ich spüre weiterhin eine anregende Wirkung. Es bleiben aber Widersprüche bestehen, die sich nicht von selbst auflösen. Ich wäre sehr froh, wenn diesbezüglich ein Dialog zustandekäme zwischen Anhängern der "Quelle" einerseits und Vertretern anderer Richtungen, aus dem dann beide Seiten Vorteile ziehen könnten.


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